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Ein Kurztrip auf die Insel
Text: Peanut Vendor

Am 14. Januar 2005 fand in Middleton bei Manchester ein Soul-Allnighter statt, der als Tribute Night für Carl Willingham gedacht war, der die Szene im März nach dem Prestatyn-Weekender als DJ verlassen wird. Da ich seinen Abschiedsauftritt in Deutschland im November organisiert hatte, wurde ich zu einem Gegenbesuch inklusive eines halbstündigen Gast-Sets eingeladen. Natürlich kam ich diesem Wunsch ausgesprochen gern nach. Für nicht-englische DJs ist es wohl immer etwas Besonderes, im "Mutterland" aufzulegen, weil man nur dort ein überaus fachkundiges, aber auch an sehr hohe Standards gewöhntes und demzufolge auch sehr kritisches Publikum findet. Über die Qualität jedes einzelnen gespielten Songs wird sofort abgestimmt – auf der Tanzfläche. Kompromisse aus Höflichkeit oder Unkenntnis gibt es nicht, wenn den Leuten ein Song nicht gefällt, sind sie sofort weg. Schließlich sind die Sets selten länger als eine Stunde und mit Sicherheit kommen auch wieder bessere Songs danach, also wird nur getanzt, wenn die Songauswahl komplett akzeptabel ist. Die Leute kommen dann allerdings auch genauso schnell wieder auf den Floor, wenn der nächste Track für sie ok ist. Weder kann man in England das Publikum mit billigen Gassenhauern übertölpeln, wie es hier viele Kollegen immer wieder tun, noch nutzt einem dort ein zu elitärer persönlicher Geschmack etwas, gerade als No-Name-DJ hat man kaum die Chance, ein Set mit zu vielen unbekannten bzw. ungewöhnlichen Tracks durchzubekommen. Also ließ sich eine gewisse Nervosität bei mir und auch bei Fuchs nicht verleugnen, man wollte ja schließlich hinterher nicht als die Langweiler des Abends dastehen...

Nach knapp zweistündiger Flugzeit von Berlin-Schönefeld landete die Maschine auf dem 2002 in "John Lennon Airport" umbenannten kleinen und modernen Flughafen von Liverpool. Maria Willingham holte mich ab, große Wiedersehensfreude, die einstündige Fahrt nach Middleton verging dank angeregter Plauderei sehr kurzweilig.
Die Gegend erinnerte mich stark an die Bilder aus "Billy Elliott", Backsteinhäuser in Reihe, alles etwas trist und in der einsetzenden Dunkelheit auch nicht so spannend. Bei Willinghams zu Hause saßen bereits Paul Davies und John Dunn aus Dublin, die ebenfalls als Gast-DJs angereist waren. Sie bestaunten gerade die Kollektion des Meisters und schrieben eifrig an einer neuen "shopping list" für die nächsten Jahre. Interessiert hörten sie zu, als ich vom Ray-Charles-Film erzählte, der zu dem Termin in beiden Ländern noch nicht in den Kinos angelaufen war. Zum Abendbrot gab es Fish & Chips mit Mashed Peas aus dem nahegelegenen Take-away. Macht erstmal gut satt und hält 'ne Weile vor. Noch 'nen Kaffee und dann der Reihe nach fix ausgehfein gemacht. Inzwischen trafen auch Fuchs und Silke ein, die sich die Mietwagen-Nummer von London gegeben hatten und entsprechend von der Fahrt geschlaucht waren. In zwei Fuhren ging's dann ins nahegelegene Civic Centre von Middleton, die Stadthalle. Recht groß mit einem schicken Parkettboden und einer großen Bühne, auf der auch schon einst der gute Edwin Starr auftrat. Auf der anderen Seite befand sich eine Gallerie, auf der Plattenhändler ihre Stände aufgebaut hatten. Die relativ große Halle füllte sich erst allmählich, die Akustik war recht gut und der Sound gediegen aber zunächst wurden noch keine herausragenden Sachen gespielt. Von der Kante der Bühne hingen einträchtig nebeneinander die Flaggen Englands, Schottlands, Wales', Irlands, dazu der Union Jack, das Sternenbanner und für Fuchs und mich eine EU-Fahne. Auch die Projektion auf den Vorhang hinter der Bühne war sehr hübsch und gab dem ganzen eine heimelige Atmosphäre. Mit fortschreitender Zeit belebte sich die Tanzfläche und das Niveau zog deutlich an, wenngleich insgesamt eher hit-orientiert aufgelegt wurde (schön, wenn man diese ganzen in-demand Scheiben rechtzeitig vor einigen Jahren noch für erschwinglich Geld gekauft hat...). Das änderte sich, als unmittelbar vor unserem Set Rob Thomas an die Reihe kam. Er legte extrem seltene Sachen auf, vieles davon hatte ich noch nie gehört und die meisten anderen im Saal sicher auch nicht. Nun reagiert jedes Publikum unterschiedlich auf unbekannte Songs. Ich gehöre eher zu den Leuten, die das spannend und bereichernd finden und höre dankbar zu und tanze auch gern dazu, wenn ein Song einfach gut ist. Diese Fraktion war aber hier und heute in der Minderzahl und so hatte der gute Rob trotz hervorragender Lieder oft eine nahezu ganz leere Tanzfläche (was mir insgeheim schon wieder etwas Mut machte, da ich wußte, daß unsere Sachen nicht gar so obskur waren). Als die absolute Killer-Nummer aus seinem Set war mir (neben vielen unveröffentlichten Acetates) "The hurting is over" von Arthur Willis & The Soulful Dynamics auf Mars Tour aufgefallen. Freundlicherweise zeigte er mir die Platte als ich dann kurz vor unserem Change-over danach fragte. Derzeit wären gerade mal zwei Copies bekannt, die andere hat, na wer wohl – Butch...

Rob gab mit einer freundlichen Vorstellung unserer Namen ab und ich bedankte mich artig und sagte ein kleines Sprüchlein auf, das den versammelten Angelsachsen erklärte, wer wir waren und warum wir für sie zum Tanz aufspielen wollten. Das war sicher hilfreich, aber ich war mir auch recht sicher, daß mit meiner ersten Nummer, "Please Mr. DJ", nicht viel schief gehen konnte. Und so war es dann auch. Da ich sowieso nicht sehr viele der angesagten Crowd Pleaser besitze, mußte ich eher versuchen, mit meinen Stücken einen akzeptierten Sound zu treffen, ohne dabei auf zu oft gespielte Stücke zurückzugreifen. Die Auswahl sollte abwechslungsreich sein, was Stil und Tempo anbelangt, ohne zu sprunghaft zu wirken... Und natürlich wollte ich dabei einige meiner Lieblingsnummern unbedingt spielen, dabei ein paar etwas ruhigere Stücke einbauen und auch jüngste Neuerwerbungen auf ihre Wirkung testen. Was sollte in einer halben Stunde schon völlig danebengehen? Für alle Fälle hätten sicher die Velvelettes, Dee Clark oder Lucille Mathis die Sache retten können, aber das war zum Glück gar nicht nötig. Zwar waren nicht so übermäßig viele Leute auf der Tanzfläche, aber es war trotzdem immer genug Bewegung da unten und ich konnte trotz des Gegenlichtes auch erkennen, daß es eher die Leute waren, die auch schon vorher zu den nicht ganz so häufig gespielten Nummern getanzt hatten. Bunny Sigler kam gut an, David Coleman auch, Johnnie Jackson lief ziemlich gut, was mich freute, weil ich die Nummer derzeit richtig klasse finde und erstmalig auflegte, Mary Moultrie war ok und ebenso Al Mason. Zwischendurch gab es auch ein paar Requests was immer ein Zeichen dafür ist, daß einzelne Leute mit der Song-Auswahl nicht so ganz happy sind, aber da mußten sie eben mal durch. Der richtige Run auf die Tanzfläche kam vorhersehbar wie das Amen in der Kirche bei Bobby Sheen. Das war aber auch schon mein vorletzter Track und dann gab ich mit Our Brother's Keeper an Fuchs ab, der ja 'ne gute Sixties-Kiste hat und vor allem mit den Sparkles "Try love" ziemlich abräumte, auch das war keine Überraschung. Hinterher kamen ein paar Leute auf mich zu und meinten, daß ihnen mein Set gefallen hätte. Na fein! Auch nach mehreren Songs wurde ich direkt gefragt, was ich gerade im Falle von Clay Hammond auf Duo Disc schon zum Schmunzeln fand, denn die Platte hatte jahrelang höchstens 10 Pfund gekostet und ist ja auch jetzt noch nicht teuer... Nach uns lieferte Roger Banks eine sehr gefällige halbe Stunde ab, dann kamen im Doppelpack Andy Dyson und Andy McCabe, v.a. Dyson war wieder mal richtig gut. Anschließend durften Paul und John als Gäste nochmal 'ran und hielten die Leute gut bei Laune und schließlich kam Herr Willingham persönlich, um seine Abschiedsgala zu krönen. Absolutes Hammerset von 7-8 Uhr morgens. Was hat dieser Mann nur für eine geniale Hand als DJ? Innerhalb von nur einer Stunde präsentierte er ein so vollgepacktes und abwechslungsreiches Set, daß Müdigkeit wirklich keine Chance hatte! Die Bar hatte bereits ab halb drei keine Alkoholika mehr verkauft, gelegentlich wurde also mal ein Wasser oder was Isotonisches geholt und weiter gings. Seine letzten beiden Songs waren "It will never be over for me" (Timi Yuro) und John & The Wierdest "Can't get over these memories". Seine letzten? Langanhaltender, donnernder Applaus der verbliebenen Gäste veranlaßte Carl, dann doch noch fünf Zugaben zu spielen und schließlich traten wir um halb neun in die Morgendämmerung und den leichten Nieselregen. Paul und John hatten einen Rückflug am späten Vormittag, sie blieben gleich wach und brachen dann auf, als ich gerade so allmählich in meinem Schlafsack zur Ruhe kam. Um halb drei nachmittags hatten sich die anderen so allmählich berappelt, also mußte auch ich wieder irgendwie in die Senkrechte kommen. Nach Toast und Kaffee fuhren Fuchs, Silke und ich nach Manchester und bummelten etwas durch die Innenstadt, die nun auch nicht gerade die architektonisch Gelungenste ist. Kurzer Abstecher zu Crazy Beat Records, aber die hatten schon fast geschlossen und ich war auch noch zu platt, um gezielt in Kisten zu wühlen. Hätte vielleicht eher ein paar Reggae-Scheiben hören mögen, war aber dafür im falschen Geschäft. Ok, zurück nach Middleton, Fuchs und Silke machten sich auf den Weg nach Wolverhampton und Maria und ich verzogen uns in die Küche während Carl sich noch etwas ausruhte. Nach dem Abendbrot war noch reichlich Zeit, wir unterhielten uns u.a. über Soul-Musik und Schallplatten und irgendwann sollte ich dann die weitere Beschallung mit Tonträgern übernehmen. Na gut, dann also her mit den Kostbarkeiten – ist schon ein bizarres Gefühl, wenn man diese ganzen super-seltenen Scheiben so in der Hand hat und diverse Tausend-Euro-Singles am Stück auflegt, die man wohl selbst nie als Original besitzen wird... Roosevelt Matthews with Billy Ball & The Upsetters z.B. usw.

Wir brachen dann in aller Ruhe gegen elf auf und waren kurz vor halb eins am Venue in Winsford. Großer Saal, wirkte fast wie 'ne Turnhalle mit Bühne auf einer Seite und einer durch einen Vorhang verhängten gegenüberliegenden Stirnseite. Wie oft in England das Ganze recht dunkel und ohne buntes Licht (die bunten Lichter haben sie früher immer durch andere Sachen hinbekommen...). Ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo überwiegend jüngeres und oft eher studentisches Publikum auf derlei Veranstaltungen kommt, ist hier noch die erste Generation mit am Start und man sieht bei vielen einfach, daß Northern Soul im Norden Englands Arbeitermusik war. Manche von den Herren mit beer belly und Schnurres waren bestimmt früher tüchtige Rauf- und Trunkenbolde, aber heute ist alles ganz mellow und freundlich. Northern Soul Dances bringen eben Musikliebhaber zusammen, es sind keine klassischen Pick-up Spots wie herkömmliche Diskos, wo der Brunfttrieb oft zu Rivalität und Aggression führt.
Die Musikauswahl war aber eher enttäuschend, bei manchen DJs und Konsumenten scheint die Zeit vor dreißig Jahren stehengeblieben zu sein. Sehr viel uptempo, sei's nun drum, aber ein recht antiquierter Sound und nicht immer gute Stücke, da legen viele jüngere DJs bedeutend spannender auf... Von zwei bis drei spielte Steve Thomas, das war ok und ich freute mich, als er mir für mein Set vom Vorabend ein Kompliment machte. Als Carl um drei anfing, hatte er schon genug Wünsche für fast das halbe Set mit auf den Weg bekommen, wie er aber dann dieses wirklich nicht einfache Publikum mit einer großartigen Reihenfolge und super interessanter Songauswahl einfach unwiderstehlich in seinen Bann zog, das war wirklich eine Lehrstunde über gutes DJing und dabei so wahnsinnig unterhaltsam. Nach ein paar handverlesenen Oldschool-Raritäten spielte er plötzlich wie aus heiterem Himmel Bad Weather und Hamilton Movement "She's gone" (was ein Knaller!), dann ging's nahtlos zurück in die 6T's, Schlag auf Schlag folgten Kracher wie "I'm slowly moulding", "Black wings has my angel" und natürlich Little Tommy "Baby can't you see", das nach diesem Wochenende wohl ganz eindeutig mein Lieblings-Uptempo-Track ist! Wie schön, daß wenigstens Herr Forrest hierzulande diese Kostbarkeit sein Eigen nennt.
Um halb fünf machten wir uns auf den Heimweg und so kam ich von sechs bis elf noch zu etwas Schlaf.

Der Rückflug war unkompliziert und trotz aller Müdigkeit freute ich mich schon auf den Prestatyn-Weekender Anfang März...

Die Play Lists von Fuchs und mir findet Ihr hier.

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